Veröffentlichen oder Geschriebenes in die Welt hinausschicken
Ein Text zu meinen Schwierigkeiten beim Zeigen meiner Texte.
Fertig.
Der Beitrag ist online.
Fertig.
Die Story ist hochgeladen.
Publizieren.
Der Artikel ist auf meinem Blog veröffentlicht.
Tief durchatmen. Das
Handy weglegen, den Laptop zuklappen.
Wie kommt man damit klar, sich der Welt zu präsentieren?
Okay, einem winzigen
Ausschnitt der Welt, dennoch −
Menschen lesen, was ich über mich schreibe, von
meinen Zweifeln, meinen Hürden. Es ist schon ein Klischee und doch ist es wahr:
Ein Teil von mir spricht endlich aus, was ich nie sagen durfte, während ein
viel größerer Teil von mir in sein Kämmerlein zurückwill, alle Texte wieder
löschen, Konten deaktivieren, stumm bleiben.
Mich in die Welt zu werfen,
wenn auch nur schriftlich, verursacht zwei Arten von Herzrasen −
das eine aus
Erwartungsfreude, das andere aus tiefer Angst.
Meinen Mund aufzumachen,
habe ich mich nie getraut, das Schreiben im Verborgenen war der erste Schritt
zur Befreiung meiner Stimme. Mein Herz atmete auf, weil ich ihm endlich zuhörte
und alles, was hinausdrängte, aufschrieb.
Mein Herz geriet ins Stocken, weil ich Menschen meine Texte zeigte. Menschen,
die mir zwar kein böses Feedback gaben, aber ihr Lob war interessenlos und die
Prophezeiung für meine Schreibzukunft lautete: "aussichtslos." Das Mitfiebern
meiner besten Freunde an meinen geschriebenen Worten kam mir deshalb vor, als
meinten sie es gar nicht ernst, bestimmt waren auch sie hinter vorgehaltener
Hand davon überzeugt, dass meine Geschichten nicht mehr als ein nettes Hobby
waren.
Der Kontakt mit den
Meinungen anderer zu dem, was ich schrieb, was so viel von mir beinhaltete,
ließ mich erstarren. Ich hatte mich mit einer neu gefundenen Ausdrucksform
geöffnet, ohne je gelernt zu haben, wie ich damit umgehen sollte.
Das Umfeld, in dem ich
aufgewachsen war, drückte sich nicht aus. Und wenn, dann geschah es in
Explosionen, die mich lehrten: Selbstausdruck ist gefährlich. Er brach
Vertrauen entzwei, hinterließ hartnäckige Splitter aus Missgunst. Da hatte ich den Anfang des Weges gefunden, mit dem ich mich offenbaren und auf dem ich
mich gleichzeitig kennenlernen konnte, doch ich hatte nicht daran gedacht, dass
dieser Weg zu allen Seiten offen war, kommentiert und bewertet werden konnte,
wenn ich meine beschriebenen Seiten zum Lesen freigab.
Damit fütterte ich etwas in mir, etwas, das mit jeder Kritik wuchs, sich
auftürmte und brüllend gegen dieses Schreiben rebellierte. Die Angst.
Ich kann mich nicht
zeigen, ohne Ablehnung heraufzubeschwören.
Meine Geschichten werden
belächelt.
Was ich zu erzählen habe,
interessiert niemanden.
Und weil ich das, was die
Angst sagte, für die Wahrheit hielt, befahl ich meinem Herzen, wieder zu
schweigen.
Als ich meine Stimme das
zweite Mal befreite, teilte ich das nicht mit anderen. Fürs Erste sollte meine
Erzählstimme mir gehören −
die Konfrontation mit meinem inneren Kritiker war
Herausforderung genug. Ich schrieb nur für mich, entwickelte mich weiter in
meinem Kämmerlein, diesmal in einem anderen als zuvor. Wie ein Aufatmen war das
Kennenlernen meiner Bedürfnisse hinsichtlich meines Schreibprozesses. Nein, ich
muss angefangene Texte nicht zur Bewertung freigeben, wenn mir das früher oder
später die Geschichte entgleiten lässt. Ja, ich darf ein ganzes Buch schreiben,
ohne währenddessen irgendjemandem zu verraten, worüber ich schreibe, wie gut
ich vorankomme, ohne irgendjemanden die unfertigen Seiten lesen zu lassen. Weil
das meine Eigenart beim Schreiben ist −
nur ich und die Welt auf dem Papier,
sonst niemand. Was danach kommt, ist eine andere Sache, meine Geschichte
lektorieren zu lassen, ist ihr erster Schritt in die Öffentlichkeit.
Akzeptanz für mich und meinen Schreibprozess, das hatte ich also gelernt. Dann
folgte eine Welle von Gedichten, die aus mir herauswollten und −
Panik machte
sich in mir breit −
sie wollten geteilt werden, die Zeilen, nahezu sofort,
nachdem ich sie aufgeschrieben hatte. Ich traute mich auf Instagram mit zwei
Arten von Herzrasen, das eine aus Erwartungsfreude, das andere aus tiefer
Angst. Menschen lesen, was ich geschrieben habe, rohe Zeilen, die aus einem
Gefühl entwachsen, Verse, die so viel über mich preisgeben, meine
Vergangenheit, meine Wunden, meine Gegenwart, meine Ängste. Es traf mich jedoch
kein böser Kommentar, vielmehr stieß ich auf Verständnis. Das machte das
Veröffentlichen leichter.
Und trotzdem −
ein Rest
Furcht klopft immer wieder an. Nun ist es jedes Mal ein vorsichtiges
Herausspähen aus der Kammer, wenn ich etwas schreibe. Ein Vorbeihuschen an der
Angst, bevor ich die Türschwelle übertrete, wenn ich etwas veröffentliche. Ich
werde mutiger, wage mich mit größeren Schritten hinaus, zeige mich, wie ich
bin, dem Sog des Einkapselnwollens widerstehend.
Bei all diesem Wachstum meines Inneren, das sich in so kleinen Schritten
entwickelt, dass ich sie selbst manchmal nicht wahrnehmen kann, frage ich mich:
Wie lange wird es dauern, bis ich vollständig damit klarkomme, online etwas
über mich zu teilen, online Texte zu veröffentlichen −
und wie weit ist es dann
noch, bis ich mich auch in die Offline-Welt traue, wie viel Mut werde ich dafür
brauchen, werde ich ihn aufbringen können?