Schreibübung: eine Szene weiterschreiben

02.05.2023

Auf Instagram gibt es von mir vom 2.5.23 bis zum 12.5.23 ein Gewinnspiel, in das diese Schreibübung hier inkludiert ist. Aber selbstverständlich könnt ihr die Übung auch einfach so für euch nutzen ;)


Im Folgenden stelle ich euch vier Anfänge zur Verfügung, von denen du dir einen aussuchen kannst. Am besten den, dessen Erzählton dir sofort zusagt und zu dem du idealerweise gleich schon ein Bild oder eine Vorstellung bekommst, wie die Geschichte weitergehen könnte. Welche und wie viele Protagonist*innen es gibt, darfst du frei wählen, natürlich auch, in welche Richtung es weitergeht – ob es eine überraschende Wendung gibt, die der Anfang noch nicht verrät z. B.
Für das Schreiben der Szene hast du 10 bis 15 Minuten Zeit.

Achtet bei dieser Schreibübung darauf, Hintergrundinformationen, Beschreibungen von der Umgebung, dem Aussehen etc. natürlich in die Szene einzuflechten, d. h. in die Gedanken und Handlungen zu integrieren. Bleibt dabei im Figurenhorizont: was nutzt die Figur für Worte zum Beschreiben, wie kommentiert sie das Geschehen in Gedanken, welche Informationen sind für sie so klar, dass sie nur andeutet statt beschreibt, da es sonst unnatürlich für sie wäre, etc.

Wem diese Übung Spaß macht, kann mir die geschriebene Szene gerne schicken oder mir von der Erfahrung während der Übung berichten, damit ich mich mitfreuen kann ;)
Viel Spaß beim Schreiben!
Herzlich,
eure Melina


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Anfang 1:
Die ersten Stände schalteten ihre Beleuchtung ein und warfen gemeinsam mit den warmen Strahlen der untergehenden Sonne Schatten und bunte Lichtflecken auf die Flächen zwischen den Buden, Karussells und Stehtischen. Ein paar sentimentale Seufzer erfüllten den Jahrmarkt.
Jetzt wurden die Leute unvorsichtig.
Der Tag war ohne auffallende Taschen- oder Spielzeugdiebstähle vorübergegangen, Eltern und Kinder hatten ihren Spaß gehabt und stärkten sich jetzt mit Pommes oder knabberten an Lebkuchenherzen. Natürlich erschallte von den Karussells und Fahrständen noch immer Kinderlachen und Gejohle über den Platz. Einige der kleinen Rabauken hörten nicht auf das Betteln ihrer Mütter, sie mögen doch endlich die letzte Runde Autoscooter beenden, oder das Betteln der Väter, sie mögen ihr Taschengeld doch nicht nur für Zuckerwatte verschleudern.
Das alles war nicht neu, jeder Jahrmarkt lief so ab, und wie immer war es nun an der Zeit.
Ein bisschen zu nah an einem erschöpften Elternteil vorbeischleifen, Kinder mit zu viel Taschengeld anrempeln, durch das Gewirr vor einer Bude tauchen und die Hand über den Tresen gleiten lassen.

(Wer hier erzählt und um wen es sich handelt, der*die jetzt auf dem Jahrmarkt zuschlägt, ist ganz deiner Fantasie überlassen.)


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Anfang 2
Der Briefkasten war im eisernen Tor verankert – auch die Briefträgerin sollte wohl nicht über den Steinweg bis zur Haustür kommen. Oder vielleicht wollte man ihr ersparen, noch mehr Meter als nötig auf ihrer Arbeitsstrecke zu überwinden. Die Geländer der drei steinernen Balkone bestanden ebenfalls aus massivem Stein, wie bei einer Festung. Überhaupt glich dieses Haus mehr einer Burg denn einem Wohnhaus aus den hiesigen Dörfern mit ihren urigen Holzhütten.
Doch es war kein Überbleibsel einer Ruine, im Gegenteil, erst vor zehn Jahren hatten die Besitzer es am Ende der Straße bauen lassen. Die Baufirma war so schnell gewesen (vielleicht war sie großzügig dafür entlohnt worden), dass es den Nachbarn wie aus dem Boden gestampft schien, "das steinerne Ungetüm", wie sie es nannten.

(Wer erzählt hier? Wird der Fokus der Geschichte auf dem Haus liegen oder auf seinen Bewohner*innen oder auf dem Dorf …? Welches Genre könnte zu diesem Anfang passen?)


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Anfang 3
Bevor ich aus dem Haus ging, schnappte ich mir meine braune Jacke. Der Braunton biss sich zwar mit der grünen Bluse, aber das war mir nun auch egal. Ich war schon zu spät dran und konnte nicht noch nach einem passenden Blazer in Inas Schrank suchen. Und der Wind blies so unerwartet kalt, dass ich mir am liebsten eine zweite Jacke um meine Beine geschlungen hätte, die aus dem kurzen Rock hervorguckten – wie das aussähe, war mir in diesem Moment mit der Gänsehaut an Armen und Beinen herzlich egal.
Warum musste der Termin denn ausgerechnet heute stattfinden? Bei dem stundenlangen Anprobieren von Blusen, Hosen und Röcken hatten weder Ina noch ich an mögliche Temperaturumschwünge gedacht.

(Ja richtig, das ist das Beispiel aus dem Blogbeitrag "Figurenbeschreibung" 😉 Um welchen Termin könnte es hier gehen? Anscheinend hängt für die Figur viel daran. Spielt ihre Kleidung noch eine größere Rolle in der Geschichte? Welches Genre könnte hier auf uns warten?)


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Anfang 4
Eine Frau schreitet durch das sonnendurchflutete Wohnzimmer zur offenen Hintertür. Draußen ziehen die Wolken über den Berg, gleich wird die Sonne hinter der weißen Watte verschwinden. Mit den Händen am Türrahmen blinzelt sie, hält die Tränen zurück. Ein Windhauch bläht die transparenten Vorhänge auf. Es wird Zeit. Ohne Zögern tritt sie mit ihren nackten Füßen auf die von Tau benetzte Wiese hinaus. Das Haus hinter ihr verschwindet. Der Schritt über die Schwelle hat ihre Entscheidung besiegelt.

(Die Frau kann auch gerne ein anderes Geschlecht haben, nimm die Figur, die hier für dich passt, es kann auch ein Kind sein. Was hat es mit dem Haus auf sich? Wo befindet sich die Figur, in welcher Welt, auf welchem Planeten …? Welche Entscheidung hat sie gefällt und was bedeutet das nun für die Geschichte?)