Impostor-Syndrom ade – Als Lektorin und Autorin hinter die eigenen Kulissen schauen

17.08.2024

Krass, krass, krass.
Das war alles, was ich denken konnte, als mir klar wurde, was ich so viele Jahre meines Lebens über meine Leistungen gedacht habe, ständig in Gedankenspiralen habe abspielen lassen. Und wie krank mich das gemacht hat.

In der Schule, von Hausaufgaben über Klassenarbeiten bis zu Referaten, spulte mein Hirn die ganze Zeit ab, ich würde gerade alles falsch verstehen, die Aufgaben nicht richtig lösen, den Vortrag mit meiner Nervosität versemmeln. In der Uni ging es weiter: Ich wäre doch unfähig zu recherchieren, die Infos aus der Fachliteratur könnte ich nicht gut zusammenfassen, die Aufgabenstellungen in Klausuren würde ich jedes Mal falsch verstehen.

Bei meiner Tätigkeit als Lektorin?
Da ging es genauso weiter. Meine Erklärungen wären nicht verständlich genug, ich würde das Wichtige, was im Manuskript anzumerken wäre, übersehen, ich hätte zu wenig Ahnung, um Autor*innen wirklich zu unterstützen.
Und nachdem die ersten Feedbacks von den Schreibenden zu meinen Lektoraten eintrafen? Obwohl sie alle begeistert von meiner Arbeit waren, konnte ich mich nur kurz darüber freuen, dann ging es los, das Lob und die positiven Rückmeldungen kleinzureden: Sie würden mir einfach nicht sagen, wenn sie unzufrieden wären, das Feedback wäre doch kein ernstzunehmender Indikator für die Qualität meiner Arbeit, andere Autor*innen fänden mein Lektorat bestimmt nicht so gut usw.

Auf diese Weise ein paar Jahre lang arbeiten?
Genau, mit so einer fiesen Stimme im Nacken wird das auf Dauer seeehr anstrengend.

Natürlich schwieg das Impostor-Syndrom auch bei meinen kreativen Tätigkeiten nicht. Ich konnte teilweise monatelang nicht schreiben, weil angeblich immer etwas nicht gut genug war, nicht gestimmt hat, niemanden interessieren würde etc. pp.
Auch das auf Dauer einfach nur anstrengend und krankmachend.

Ich bin keine Coachin oder Therapeutin, daher gebe ich hier keine Ratschläge, wie man sich frei machen und wieder in Freude leben und arbeiten kann. (Therapie oder Coaching-Sitzung bei einer Begleitung deines Vertrauens empfehle ich aber von Herzen!)
Ich möchte in diesem Blogbeitrag jedoch gerne davon berichten, wie erleichternd es ist, die fiese Stimme nicht mehr, oder zumindest nur noch teilweise, zu hören. Ja, ich weiß, woher sie kommt, welche Umgebung und welche Verletzungen in der Kindheit zu meinen Glaubenssätzen von "Ich bin nicht gut genug" oder "Ich kreiere nichts von Belang" geführt haben, dennoch geht es nicht darum, jemanden zu beschuldigen, sondern es geht darum, sich von all dem alten Zeugs zu befreien und wieder in die eigene wahre Größe zu gelangen.

Aus meiner Wahrheit heraus Geschichten zu schreiben, aus purer Freude heraus zu lektorieren, macht nämlich viel mehr Spaß und weitet das Herz auf einer Ebene, die ich bis vor wenigen Monaten noch kaum erlebt habe.

Seit ich von der Fülle in mir überzeugt bin, sprudelt meine Kreativität viel lebhafter, "meine" Autor*innen zu unterstützen fällt mir viel leichter. Schreiben ist endlich wieder schön – und nicht auslaugend. Denn es findet nicht mehr im Kampf statt, sondern in Freude. Mir war viel zu lange nicht bewusst, was das für einen Unterschied macht, wenn ich mich in meinem Kopf nicht selbst bekriege, stattdessen Gedanken beobachte und weiterziehen lasse, sofern sie mir nicht dienen, oder annehme, sofern sie eine geniale Idee mit sich bringen.

Ich hoffe, ich kann den einen oder die andere inspirieren, ihrem Kopf ein wenig mehr Aufmerksamkeit zu schenken: Welche Gedanken denke ich eigentlich so den Tag über? Und welche hinterfrage ich nicht, obwohl es mir guttun würde, neue Gedankenmuster auszubilden, die mich unterstützen, statt mich kleinzureden?
Ich selbst bin da auch erst am Anfang, es gibt sicherlich noch genug unbewusste Muster, die ich nach und nach auflösen darf. Auf jeden Fall ist es so eine Erleichterung, zu dem inneren Fertigmacher nicht mehr Ja und Amen zu sagen! Denn er hat einfach nicht recht!

Ich habe keinen Aufbau für diesen Blogbeitrag geplant, an dieser Stelle kann ich nur sagen: Ich bin auf meinem Heilungsweg wieder ein Stückchen vorangekommen, was ich gerne mit euch teile 😊


Herzlich,
eure Melina